Induzierter Widerstand

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Mit induzierter Widerstand wird der Teil des Widerstands eines Tragflügels bezeichnet, der unabhängig von den Profileigenschaften aus Auftrieb und Auftriebsverteilung resultiert.

Größe des Induzierten Widerstands

Für den Flugzeugentwerfer, den das "Warum" nicht interessiert, hier kurz und knapp die Formeln:

Induzierter Anstellwinkel:

Beiwert des induzierten Widerstands

Jeweils für elliptische Auftriebsverteilung mit

= Auftriebsbeiwert
= Streckung


Zur Berechnung des Einflusses einer beliebigen Auftriebsverteilung auf den induzierten Widerstand wurde der Oswald-Faktor bzw. der k-Faktor eingeführt. Mit diesen Faktoren wird die Abweichung des induzierten Widerstands zwischen der optimalen und der realen Auftriebsverteilung in einem Wert zusammengefasst. In älteren Publikationen findet man vorwiegend den Oswald-Faktor, während Publikationen der jüngeren Zeit den k-Faktor bevorzugen.

= Oswald-Faktor

= k-Faktor [-]

Beide Betrachtungsweisen sind äquivalent. Der k-Faktor ist wie folgt definiert:

Daraus folgt wegen des absoluten Minimums des induzierten Widerstands der elliptischen Auftriebsverteilung:

Für die Bewertung der Leistungsfähigkeit einer Tragflügelauslegung wird heutzutage der k-Faktor herangezogen. Nur bei Tragflügeln mit Winglets oder anderen Randbogenformen, die bei der Bemessung der Spannweite üblicherweise nicht berücksichtigt werden, kann der k-Faktor kleiner als eins werden. Bei einem Vergleich des abgewickelten Flügels (Winglets/Randbogenelemente in die Ebene geklappt) mit der elliptischen Verteilung ergibt sich jedoch stets ein k-Faktor von größer oder im Idealfall gleich eins.

Eine Berechnung der Auftriebsverteilung inklusive der zugehörigen Beiwerte ist unter anderem mit dem Programm von Weblinks / Frank Ranis möglich, das auf dem Traglinienverfahren nach Truckenbrodt basiert. Bei solchen numerischen Verfahren ist ein k-Faktor kleiner als 1 lediglich als ein Indiz für ein numerisches Problem bei der betrachteten Konfiguration anzusehen, meist liegt die Ursache in einer zu geringen Wirbelanzahl.

Es ist zu beachten, dass die elliptische Zirkulationsverteilung als die optimale Verteilung hinsichtlich des absoluten Minimums des induzierten Widerstands angenommen wird, jedoch gibt es hierzu keinen geschlossenen mathematischen Beweis. Es handelt sich somit um eine Definition. Der Beweis ist bisher nicht gelungen, dass diese Definition unzutreffend ist.

Physikalische Erklärung

Der Induzierte Widerstand ist in der Verzerrung der Anströmung durch die Auftriebserzeugung des Flügels begründet. Die Zusammenhänge, wie dieser Widerstand zustandekommt, sind komplex. In den folgenden Absätzen sind sie im Umriss dargestellt.

Auftrieb und Zirkulation

Es kann gezeigt werden, dass Auftrieb (also Kraft quer zur Hauptströmungsrichtung) in einem Strömungsfeld nur möglich ist, wenn in diesem Strömungsfeld Zirkulation vorhanden ist, also Wirbel. Man kann sich so einen Wirbel um den Tragflügel herum vorstellen; bekanntlich ist die Strömung an der Tragflügeloberseite beschleunigt, an der Unterseite verzögert. Zieht man von diesen Geschwindigkeiten die Fluggeschwindigkeit ab, ergibt sich unten eine Strömung entgegen der Flugrichtung, oben eine in Flugrichtung, als Gesamtes eine Rotationsströmung um den Tragflügel herum.

Randwirbel

Gebundener Wirbel, Randwirbel, Anfahrwirbel

Nun können (stehende) Wirbel in einem Fluid nicht frei im Raum enden. Entweder sie enden an einer Begrenzungsfläche, (ein Beispiel sind an der Wasseroberfläche die bekannten Wirbeltrichter; auch wer schon einen Staubteufel oder eine Trombe beobachtet hat, hat einen Wirbel am Boden enden sehen), oder sie bilden geschlossene Wirbelringe, wie man das z.B an Rauchringen beobachten kann. Entsprechend kann der an den Tragflügel gebundene Wirbel am Tragflächenende nicht enden. Vielmehr setzt er sich dort in Form der sogenannten Randwirbel U-förmig nach hinten fort. Betrachtet man das ganze System schließt sich das "U" hinten über den Anfahrwirbel zu einem Wirbelring. Der Anfahrwirbel ist ein Wirbel, der der gebundenen Tragflächenzirkulation entspricht, aber entgegengesetzt dreht. Er entsteht beim Anfahren / Anstellen der Tragfläche und schwimmt mit der Strömung nach hinten weg. Selbstverständlich bleiben in realen Fluiden diese Wirbel nicht ewig stehen, sondern laufen sich durch innere Reibung irgendwann tot. Man kann den Anfahrwirbel real beobachten: Wenn sich der Auftrieb ändert, geht ein neuer (Teil-) Wirbel ab. Das kann man z.B. bei einem Kunstflugzeug mit Raucherzeuger beim harten Hochziehen aus dem Horizontalflug im Rauch sehen.


Druckausgleich am Randbogen

Die Entstehung von Randwirbeln kann man sich einfach vorstellen als Ausgleichsströmung am Flächenende: Unter der Fläche herrscht Überdruck, darüber Unterdruck. Die Luft, die diesen Unterschied ausgleichen will, strömt um den Randbogen herum und erzeugt dabei den sich hinter dem Randbogen oben einwärts drehenden Wirbel.

Kontinuierliche Wirbelfläche

Genau betrachtet gibt es nicht nur die Randwirbel. Überall, wo sich der lokale Auftrieb der Tragfläche in Spannweitenrichtung ändert (z.B durch Änderung der Flügeltiefe, also kontinuierlich, durch Änderung des lokalen Anstellwinkels (Schränkung), durch Auftriebssprünge an den Enden von ausgeschlagenen Rudern), fließt ein der Auftriebsänderung entsprechender Wirbelfaden mit der Strömung nach hinten weg. Das ist nicht nur Gedankenmodell; sind solche Wirbel lokal stark, kann man sie bei passenden atmosphärischen Bedingungen als kondensierende Wirbelkerne beobachten (z.B an den Enden von Landeklappen von Passagierflugzeugen). Genau betrachtet fließt also an der Endleiste eines Tragflügels eine kontinuierliche Wirbelfläche variabler Stärke nach hinten weg. Das äussert sich in der Praxis in einer von innen nach aussen zunehmenden Scherung (abweichenden Fliessrichtung) der oben und unten vom Flügel abfliessenden Strömung. Diese Scherfläche rollt sich, wenn nicht weitere lokale starke Unstetigkeitsstellen wie z.B. Klappenenden vorhanden sind, stromabwärts auf die Randwirbel als stärkste Wirbelkerne auf.

Geschwindigkeitsverteilung in einem Wirbel

Wirbel-Geschwindigkeitsvert.png

Abgesehen von einem Wirbelkern (der inneren Grenzschicht des Wirbels, wenn wir das so betrachten wollen), der sich mehr oder weniger wie ein fester Körper um sich selbst dreht, ist die tangentiale Geschwindigkeit in einem Wirbelfeld umgekehrt proportional zum Radius, also zum Abstand vom Wirbelkern:

Mit diesem Geschwindigkeitsverlauf bleibt der Drehimpuls eines Teilchens, dass sich nach innen oder außen bewegt, konstant:

Das gibt die rechts dargestellte Geschwindigkeitsverteilung in einem Wirbel: Hohe Geschwindigkeit innen, schnell abnehmend nach außen.

Flügelabwind

Stellen wir uns nun hinter einen solchen Flügel und betrachten wir den Einfluss dieser abgehenden Wirbel auf die abgehende Strömung als Ganzes: Im Bild rechts sind ein paar Wirbel stellvertretend dargestellt: Wir haben einen starken Wirbel am Randbogen, schwächere, die durch die Tiefenänderung des Tragflügels entlang der Spannweite zustandekommen. Summieren wir nun die Wirkung all dieser Wirbel auf, so bekommen wir die folgenden Einflüsse: Wikibildgesucht.png

  • Über dem Tragflügel ist die Strömung als ganzes nach innen gerichtet; am stärksten außen, zur Mitte hin heben sich die Einflüsse auf.
  • Unter dem Tragflügel geht die Strömung entsprechend nach außen.
  • Direkt hinter dem Tragflügel ist die Gesamtheit der Wirbeleinflüsse nach unten gerichtet. Es resultiert ein Abwind hinter dem Flügel.
  • Dem entspricht (schon aus Kontinuitätsgründen; irgendwo muss die nach unten abströmende Luft ja hin) ein nach außen schnell abnehmender Aufwind außerhalb der Randbogens.

Induzierter Anstellwinkel

Da hinter dem Flügel ein zusätzlicher Abwind steht, wird die Flügelanströmung entsprechend verzerrt. Konkret resultiert ein lokal veränderter Anstellwinkel. Für elliptische Auftriebsverteilung ist dieser Abwind und damit die Veränderung des Anstellwinkels konstant. Wikibildgesucht.png

Elliptische Auftriebsverteilung bedeutet, dass der Auftrieb in Spannweitenrichtung nach dem folgenden Gesetz verteilt ist:

Wikibildgesucht.png

ist der maximale Auftrieb in Tragflügelmitte.
ist die Koordinate in Spannweitenrichtung; 0 in der Mitte.
ist die Spannweite.

Der Induzierte Anstellwinkel ist dann:

D.h. der induzierte Anstellwinkel ist proportional zum Auftriebsbeiwert und umgekehrt proportional zur Streckung . Für alle anderen Auftriebsverteilungen ist der induzierte Anstellwinkel über die Spannweite variabel und seine Berechnung nicht trivial. Siehe dazu die Weblinks.

Rotation des Auftriebsvektors

Da der Auftrieb definitionsgemäß senkrecht auf der Anströmrichtung steht, wird er duch diese Änderung der Anströmung um den gleichen Winkel nach hinten gedreht. Er erhält damit ein Komponente entgegen der Flugrichtung, die sich als Widerstand, eben den induzierten Widerstand, bemerkbar macht. Für elliptische Auftriebsverteilung wird der Beiwert dieser Komponente:

oder für kleine Winkel:

D.h. der induzierte Widerstand ist proportional zum Quadrat des Auftriebsbeiwerts; Bei geringen Fluggeschwindigkeiten wird er damit zum dominierenden Widerstandsanteil. Als konstruktive Abhilfe bieten sich Flügel hoher Streckung an. Diese sind außerdem möglichst mit elliptischer Auftriebsverteilung oder einer guten Annäherung auszulegen.

Örtliche Verteilung des induzierten Widerstands

Da die Verteilung des induzierten Anstellwinkels in Spannweitenrichtung von der Auftriebsverteilung abhängt, ist der induzierte Widerstand pro Fläche nicht notwendigerweise über die ganze Spannweite konstant. Da er kein Reibungswiderstand ist, sondern von der Neigung des Auftriebsvektors abhängt, kann er lokal (und nur lokal) sogar negativ werden, d.h. der Auftriebsvektor neigt sich in Flugrichtung und erzeugt Vortrieb. Das ist z.B an korrekt ausgelegten Winglets der Fall. Ebenso ist die ungleiche Verteilung des induzierten Widerstands eine wesentliche Komponente des negativen Wendemoments. Bei den Horten-Nurflügeln wird versucht, über eine Glockenauftriebsverteilung den zusätzlichen induzierten Widerstand bei Querruderausschlägen und damit das negative Wendemoment zum Verschwinden zu bringen. Für genau ein Auslegungs-CA ist das auch möglich, allerdings auf Kosten des induzierten Widerstands bei neutraler Ruderstellung.

Weblinks

http://www.flz-vortex.de Software zur Berechnung von Auftriebsverteilungen, Induziertem Widerstand, Stabilitätsauslegung und mehr.